Zum Inhalt springen

Traditionelle Weihnachtsansprache des Christkinds

Sehr geehrte Damen und Herren,

lassen Sie mich – wie jedes Jahr – anlässlich der bevorstehenden Festtage ein paar Worte an Sie richten. Und lassen Sie mich dabei – wie jedes Jahr – darüber hinwegsehen, dass Sie hier eigentlich die Wiederkehr eines Ereignisses (nämlich die Geburt eines Kindes) feiern, nach dessen Stattfinden Sie kurz darauf nicht gescheut haben, den Betreffenden an ein Holzkreuz zu nageln. Aus einer Vielzahl an Motiven heraus – von bloßer Borniertheit bis hin zum gewaltbereiten Machthunger.

Und lassen Sie mich auch nur kurz den Umstand streifen, dass sich – trotz der alljährlichen Festivitäten – diese Beweggründe für Menschen, um aktiv zu werden, bis heute so gut wie gar nicht geändert haben.

Doch lassen Sie mich angesichts der Tatsache, dass heute längst Aktienrenditen wichtiger geworden sind als Schicksale von lebenden und atmenden Menschen etwas ausführlicher darauf eingehen, was es mit diesen sogenannten „Weihnachtsgeschenken“ auf sich hat:

Da wird die – angeblich – stillste und besinnlichste Zeit des Jahres „last minute“ dafür aufgewendet, um irgendwelchen Ramsch heranzuschaffen, der nach mehr aussieht, als er kostet. Da wird – einmal im Jahr – darüber nachgedacht, was der oder die brauchen könnte, was für Wünsche und Sehnsüchte da sind. Und meistens – ja meistens – fällt einem dazu nicht wirklich etwas ein. Weil man es nämlich längst verlernt hat, sich tatsächlich mit den Menschen und ihren Sehnsüchten auseinanderzusetzen. Mehr noch: Weil es uns von den Zwängen unserer Gesellschaft abtrainiert wurde, einem bloßen Kosten- und Produktionsfaktor „Mensch“, einem Mittel zum Zweck tatsächlich Bedürfnisse, Gefühle und Sehnsüchte zuzusprechen.

Das Weihnachts-Tamtam passt doch strukturell so ganz und gar nicht mehr zu dem, wie wir sonst längst miteinander umgehen! Ein Anachronismus, bei dem immer noch eine traditionell auferlegte einmal jährliche Pflicht erfüllt werden muss - statt einem dauernden wirklichen inneren Bedürfnis nachzukommen, wie es früher einmal war und eigentlich vom Gedanken her sein sollte.

Ist Weihnachten überhaupt noch zeitgemäß?
Gehört es nicht längst konsequenter Weise abgeschafft?

Doch wie auch immer Ihre weiteren Beschlüsse zu dieser Thematik aussehen (schließlich ist es punkto entgangener Arbeitszeit der Mitarbeiter und der sowieso schon geringen verbleibenden Kaufkraft für Zusatzausgaben in der breiten Bevölkerung bereitseine Spitz-auf-Knopf-Rendite):

Bitte beachten Sie, dass ich persönlich keinerlei Beteiligungen an den Konzernen halte, die aus dem Weihnachtsgeschäft profitieren. Auch bin ich weder Krawattenhändler noch Duftwasserproduzent oder Vertreter für Spielkonsolen. Solche Waren also als „Geschenk des Christkinds“ unter dafür gezüchteten und trotz des fortschreitenden Klimawandels geschlachteten Nadelhölzern zu präsentieren, ist nicht nur höchst unpassend, sondern in gewisser Weise für meine Person sogar rufschädigend.

Geschenke, wie sie mir vorschweben würden, die sind natürlich heute kaum verfügbar. Denn schließlich kann man nur etwas verschenken, was man vorher auch sein Eigen nennen darf:

Liebe und Mitgefühl, Verständnis und Vergebung, Mut und Zivilcourage, Engagement und Anstrengung, Wahrhaftigkeit und Verlässlichkeit, Uneigennützigkeit und Gemeinschaftsgefühl, Akzeptanz und Toleranz, Sanftmut und Friedfertigkeit, Bescheidenheit und Demut, Klugheit und Weitblick, und noch viele andere Gottesgaben – zu denen wir alle fähig wären, wenn wir das zulassen wollten.

Das sind die Geschenke, die heute mehr denn je vonnöten wären. Nicht bloß an ein paar Tagen im Jahr. Und nicht bloß weil das Geld für andere Geschenke mehr und mehr zur Neige geht. Sie sind kein plumper Ersatz für anderes – sondern Lebensnotwendigkeiten. Heute mehr denn je, wenn wir als Individuen und einer daraus gebildeten Gesellschaft die schon gegebenen und in allernächster Zeit noch kommenden Herausforderungen bestehen wollen.

Ich bin zuversichtlich, was diese Bewältigung betrifft. Weil Menschen gerade in schweren Zeiten immer über sich hinausgewachsen und auch dazu grundlegend befähigt sind, die richtigen Schritte zu setzen.

Und dann – irgendwann – wenn wir nicht nur über Aufruf von irgendjemandem dazu antreten, gegen irgendjemanden die „christlichen Werte“ zu verteidigen, sondern uns auch noch darauf besinnen, welche Werte das eigentlich sind – und wie sich das so in der Praxis lebt – dann wird es auch wieder Zeit, so wirklich und richtig an „Weihnachten“zu glauben.

Bis dahin wünsche ich Ihnen alles Gute – und: Vergeuden Sie nicht zuviel Zeit mit dem Weihnachten-Herumgelaufe. Sie wird Ihnen fehlen – irgendwann!

Ihr Christkind

Schlagwörter: